Bei jedem Wechsel zu einem neuen Medium ist es spürbar. Von der Kassette über die CD zur mp3, von der Zeichnung zum Druck, von der Skulptur bis zu ihrem Double aus dem 3D-Drucker – wo der Künstler nicht Hand anlegte, fehlt etwas. Wo die Kopie nicht Teil der künstlerischen Idee ist, umweht das Werk das billige Gefühl des Synthetischen. Eine Kopie hat nicht denselben Wert wie das Original. 3D-Druck revolutioniert das Kunstverständnis.
Und nicht erst seit eine Japanerin ihre Vagina hat scannen und in Übergröße als Boot drucken lassen, sind automatisierte Reproduktionstechniken in der Kunst angekommen.
Was bei einem Plastikkayak noch gut nachzuvollziehen ist, weil die Boote auch normalerweise im Gussverfahren hergestellt werden, wird aber schnell problematisch. Zum Beispiel wenn man sich fragt, ob die kleine 3D-Druckfigur in der Kunstausstellung nicht auch in der Fußgängerzone davor als Souvenir angeboten werden könnte. Beide entspringen im Zweifel einem ähnlichen digital-mechanischen Verfahren.
Weder Wissenschaft noch Kunstmarkt schaffen es heute, einen Kunstbegriff und Wertmaßstäbe festzulegen. Kunst und Krise lagen immer nah beieinander. Heute sind die Begriffe für viele synonym.
Kunst als materialgewordener Gegenstand des künstlerischen Genies, einer Idee, einer Empfindung oder eines Impuls war immer schon fragil. Fragil und einmalig: Diese Eigenschaften verliehen dem Kunstwerk eine Aura. Walter Benjamin, einer der Väter der Kunstwissenschaft, hat 1935 in „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ diesen Begriff der Aura geprägt und als Originalität und Authentizität definiert. Bei der Frage „Was ist Kunst?“ war diese Aura für viele eine Stütze, denn Kreativität, Emotion, Gedanken, Kultur und Geschichte haben die Fähigkeit, ein Kunstwerk einzigartig zu machen. Heute ist die Aura tot. Die Eigenschaften der Idee bleiben, aber das Werk ist austauschbar. Es ist das Ergebnis eines Kunst-Algorithmus – und der macht Schule.
Rita McBride ist die neue Rektorin der Düsseldorfer Kunstakademie und Bildhauerin. Sie hat direkt zu Beginn ihrer Amtszeit 2013 verkündet: Wir schaffen 3D-Drucker an! Dass damit respektable Kunst geschaffen werden kann, zeigen Michael Hansmeyer und Benjamin Dillenburger. Ihre „Digital Grotesque“ ist eine Sandsteingrotte, die ausschaut wie ein Aliennest.
Digital Grotesque . Printing Architecture from Digital Grotesque on Vimeo.
260 Millionen Einzelflächen auf 16 Quadratmetern wurden aus Sand und einem Bindemittel gedruckt. Solch ein überfordernder Raum war bisher unmöglich. In seiner Komplexität und Komposition lassen sich solche Erlebnisse zwischen organischen, gotischen und mechanischen Formen nur am Computer und mithilfe von Algorithmen schaffen. Der künstliche Sandstein schafft dabei ein ganz neues Materialgefühl irgendwo zwischen Naturstein und Synthetik. Ein Jahr Planung und ein Monat im Druck hat das tonnenschwere Werk hinter sich – und tourt bei einer Druckgenauigkeit von 0.1 mm jetzt ganz filigran durch die Ausstellungshallen. Die durch Komplexität gesetzten Grenzen in Kunst und Architektur lösen sich auf.“Die digitale Kunst aus dem 3D-Drucker versenkt den Künstler.“
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Die Bedeutung eines Werks liegt in der Menge der Entscheidungen und Aktionen des Künstlers, die der Künstler hineingelegt hat. Die digitale Kunst aus dem 3D-Drucker aber versenkt den Künstler und seinen Duktus im Meer der Algorithmen. Die Aura bleibt tot. Der Künstler wird zum Programmierer. Was das bedeutet, erforschen Künstler wie Michael Hansmeyer und Rita McBride.